Oratorium
CANTO GENERAL
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KONZERTINFORMATIONEN Oratorium Dichtung Musik
Solisten/Mitwirkende
Schirmherr der Konzertveranstaltung |
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Zum „Canto General“ Theodorakis hatte bereits vier Jahre unter den Bedingungen der Diktatur in Griechenland zubringen müssen, als er aufgrund der Initiative einer internationalen Solidaritätsbewegung seine Heimat verließ und nach Frankreich ins Exil gehen konnte. Als Theodorakis und Neruda wenig später einander in Paris begegneten, trafen sich zwei Dichter, die beide dieselben Kunstfertigkeiten beherrschten, die das Entstehen großer Poesie ermöglichen. Der Komponist mit seiner tiefen Liebe zur verdichteten Sprache, der Dichter mit seinem herausragenden Talent, Gesänge zu dichten. Als hätte ein sinnenfroher Gott vor langer Zeit die schöne Idee gehabt, dem einen jeweils eine Herzhälfte des anderen anstelle der eigenen zweiten zu geben, und als hätten beide Männer schlagartig erkannt, als sie sich gegenüberstanden, dass eben jeder etwas vom innersten Wesen des anderen in sich trägt. Bei ihrer ersten Begegnung in den 60er Jahren in Paris, war es Neruda, der seine Heimat hatte verlassen müssen. Pablo Neruda und Mikis Theodorakis Bei ihrer zweiten Begegnung, Anfang der 70er Jahre, abermals in Paris, war Theodorakis der Exilant. Theodorakis folgte kurz darauf einer Einladung nach Chile. In Valparaiso erlebte er eine Veranstaltung mit Rezitationen aus Nerudas „Canto General“ und entsprechenden Vertonungen zweier chilenischer Künstler. Bemerkenswerter Weise war es nicht die Musik, sondern es war die Dichtung, die Theodorakis sofort und ganz und gar in ihren Bann zog. Es dauerte nur Augenblicke, und klar war: Er würde eine eigene Vertonung des „Canto General“ vornehmen. Eine Unterhaltung mit Salvador Allende, später, in Santiago de Chile, und in Paris dann wieder mit Neruda, ließ es sofort Gewissheit werden, dass das geschriebene Wort jetzt seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt werden würde: als tatsächlich „Großer Gesang“ erklingen zu können. 1972 war die Arbeit am „Canto General“ beendet. Er wurde in Israel uraufgeführt, und schon gleich danach dirigierte Theodorakis jedes Mal auch Teile aus dem „Canto“, während er mit seinem Musiker-Ensemble Konzerte auf der ganzen Welt gab, als Zeichen des Protests gegen die immer noch herrschende Diktatur in Griechenland. Mit Neruda war der großartige Plan gefasst, das Werk in Argentinien aufzuführen. Der Dichter selbst wollte kommen und seine Verse rezitieren. Aber in Chile gelangte jetzt, 1973, die Junta an die Macht. Allende wurde ermordet. Neruda erlag wenig später seiner schweren Krankheit. Im Sommer 1974 war der Alptraum Diktatur in Griechenland beendet. Theodorakis und sein Orchester kehrten nach Athen zurück. Die Konzerte, die dann stattfanden, waren unbeschreiblich. Konzerte für Griechenland, für Chile, für Oropos und Valparaiso und jeden denkbaren Ort dieser Welt. Und alles andere sagt der „Canto“ selbst, der in der wirksamsten Sprache spricht, durch die das Leben sich erhalten kann. Ina Kutulas
Ersungene Orte – sehr weit draußen Eines der interessantesten Projekte, bei denen die Künstlerin danach mitwirkte, war ein außergewöhnliches Konzert mit dem Titel „Sonne & Zeit“, das Ende 1998 in Berlin stattfand. Zusammen mit dem Berliner Künstler Rainer Kirchmann brachte Maria Farantouri dort den bereits 1967 während der Junta von Mikis Theodorakis getexteten und vertonten Zyklus zu Gehör, den Rainer Kirchmann neu bearbeitet hatte. „Sun & Time“ kam 2001 in Griechenland auf CD heraus. Neben Impulsen, die weiterhin von Mikis Theodorakis ausgingen, hat sich Maria Farantouri auch selbst auf die Suche nach Liedern begeben, die ihrer Intention entsprechen und durch die sie sich singend verwirklicht. Das erste „Kind“ dieses Prozesses war die CD „Serenates“. In jüngster Vergangenheit entwickelte Maria Farantouri zusammen mit dem griechischen Dichter Kostas Kartelias das Projekt „Odyssee“, reflektierend über den Menschen, der wahrgenommen werden will in seiner Individualität, der zugleich aber eingebunden ist in das Wegenetz, in dem er sich heute bewegt, gestern erreicht wurde, morgen verlassen wird, Feindschaft und Liebe, Enttäuschung und Anteilnahme in seinen Herzkammern. „Way home“, eine CD, die 2007 erschien, offenbart eine Maria Farantouri, die sich selbst treu geblieben ist, die sich über die Lieder ihr Griechenland abermals erobert und sich von ihm erobern lässt. Das überaus positive Echo der Hörer ist deutliches Zeichen für das Interesse, die Begeisterung und die großen Sympathien, mit denen das Publikum die Unternehmungen der Künstlerin verfolgt und begleitet. Inzwischen hat Maria Farantouri ihren 60. Geburtstag gefeiert, ihr Sohn ist erwachsen und das Griechenland des Jahres 2008 ein Reiseland, das viel Konkurrenz bekommen hat. Die Künstlerin hat sich ihre Heimat im Herzen bewahrt. Und damit vor allem auch ihre Identität. Manchmal möchte man fast meinen, man könnte ein überraschtes Lächeln der Sängerin wahrnehmen, als würde sie über sich reflektieren und feststellen, wie sehr sie selbst sich ähnlich blieb durch Jahrzehnte hindurch, da sie in der ganzen Welt Konzerte gab und in denen sich die ganze Welt veränderte. Mit Gefühlstiefe, Bestimmtheit und Eigenwilligkeit ersingt Maria Farantouri sich nach wie vor ihre Herkunft, sieht diese hindurchleuchten durch alle Gegenden der Welt und den kräftigen Widerschein der Welt sich auf ihre Heimat legen, deren Gesicht verändern. Das damit einhergehende Sich-Verdunkeln und Hellsichtig-Werden – es findet seinen Ausdruck in Maria Farantouris Authentizität. Viel Welt hat ihre Stimme geatmet, und Griechenland insbesondere hat ihr das verliehen, was mitschwingt darin. Ein Auftritt Maria Farantouris wird immer faszinierend sein wegen dieser urgriechischen Eigenheit, unberechenbar, urplötzlich den Hörer, Gesprächspartner in Bann zu ziehen und sich gemeinsam mit ihm verändert wiederzufinden, sehr weit draußen bei sich selbst. Ina Koutoulas
Singen können Petros Pandis mag keine überflüssigen Worte und Gesten. Eine Ewigkeit schon gilt er als einer der einfühlsamsten und ausdrucksstärksten Interpreten der Lieder von Mikis Theodorakis. Ehe die beiden zueinander kamen und Theodorakis in Petros Pandis wahrscheinlich den männlichen Part zu Maria Farantouri fand, die der Komponist zu seiner „Priesterin-Sängerin“ erkor, hatte Pandis bereits ein musikalisches Vorleben. Er wurde auf der Insel Kerkyra/Korfu geboren, wo, wie er sagt, in seiner Kindheit und Jugend „alle sangen und immer viel gesungen wurde“. Ganz selbstverständlich begann sich in dieser reichen kulturellen Umgebung auch der Lebensweg des jungen Petros Pandis unter dem prägenden Einfluss der Musik zu formen. Er hat diesen Pfad nie verlassen, obwohl er beruflich noch eine andere Richtung einschlug. Petros Pandis unterrichtet englische Literatur. Seine Schüler sind heute 17- und 18-Jährige. Auf den Anfang der 70er Jahre selbst noch jungen und begabten, weil dynamisch beseelten Petros Pandis wurde Theodorakis in Paris aufmerksam. Er hörte ihn in einem Club, kam zu ihm und erklärte dem überraschten Pandis, dass er wolle, dass dieser mit auf Tournee geht. Pandis sagte zu, fast bestürzt und verschüchtert und zugleich völlig ahnungslos im Hinblick auf das, worauf er sich eingelassen hatte.
Hunderte von Konzerten, die große Bühne, ein immer wieder anders gelauntes Publikum, Städte und Städte und eine lebenslange innige Verbindung zum niemals ermüdenden, fordernden, großherzigen Theodorakis, was auch hieß, hellste und dunkle Momente zu teilen, als ein stolzer Charakter auf Augenhöhe dirigiert werden zu wollen. Das war das eine, was kaum vorauszusehen war. Das andere aber bedeutete, dass Petros Pandis zunächst gewissermaßen noch einmal von vorn anfing. Theodorakis nämlich begann damit, ihn auf seine Art im Singen zu unterweisen. „Es dauerte Monate“, sagte Pandis einmal im Rückblick auf diese Phase. „Und es war nicht einfach. Aber dann passierte etwas mit mir. Ich erkannte den Klang – oder: ich ließ den Klang mich erkennen und wahrnehmen. Von da an konnten meine Kräfte ihn formen. Und da erst war ich wirklich bereit, von Angesicht zu Angesicht vor anderen zu singen.“ Er entwickelte einen völlig eigenständigen, einzigartigen Stil, und niemand hat wohl je den aussichtslosen Versuch unternommen, diesen kopieren zu wollen. Einen zweiten Pandis gibt es bis heute nicht. Deshalb wird jedes Konzert, bei dem man ihn erleben kann, im übertragenen Sinne das erste und das letzte sein. Während der vergangenen Jahrzehnte konnte ein Lied, wenn Pandis es sang, immer als Statement verstanden werden. Wenn man den Künstler heute auf der Bühne erlebt, ist man Teil eines Akts der Hingabe an das unberechenbare Leben, das gefeiert werden möchte wie durch die Flamme, die sich nährt von der Luft und sich von ihr verzehren lässt. Petros Pandis ist ein überaus disziplinierter, sehr wortkarger, beinah verschlossener Mensch. Es mag daran liegen, dass er als Lehrer viel sprechen muss. Als dieser will er seinen Schülern außerdem etwas vermitteln, was sie sich zurechtfinden lässt im Leben. Nicht vor allem aufgrund materieller Begünstigungen, sondern durch selbst erworbenes Wissen. Pandis hat die ganze Welt gesehen oder zumindest die halbe, und die Welt hat ihn gesehen. Nach dem Konzert verschwindet er meist sehr schnell, als könne er durch Wände gehen. Steht er auf der Bühne, dann erlebt man ihn wissend singen, alles erworbene Wissen vergessend. Seine ungeheure Präsenz verweist auf ihre Voraussetzung: Was Petros Pandis beherrscht, ist nach Innen schauendes Interpretieren. Wer mit diesem Sänger kommunizieren möchte, der führe diesen Dialog am besten aus der Ferne geistiger Nähe. Völlig unmöglich, mit diesem Mann zu plaudern. Noli me tangere – das scheint Petros Pandis einem zu bedeuten. Mit einer einzigen Ausnahme. In unmittelbaren Kontakt mit ihm tritt man im Augenblick der Bereitschaft, im Publikum aufzugehen, ganz dabei zu sein und sich selbst zu vergessen, wenn er das Lied gewahr werden lässt. Ina Kutulas |